US-Wahl: Wie entscheidend ist die Wirtschaft?

Trump oder Biden? Diese Frage wird im November beantwortet, wenngleich sich Umfragen bereits jetzt an einer Prognose versuchen. Viel aussagekräftiger dürften allerdings gewisse Wirtschaftsindikatoren sein – dies legt zumindest ein Blick in die Vergangenheit nahe.

Wer macht das Rennen?

Im November wird die gesamte Welt ihr Augenmerk wieder auf die USA legen, um die dortigen Präsidentschaftswahlen zu verfolgen. Doch bereits im Vorfeld steigt die Spannung, je näher der Wahltermin rückt: Wird den Demokraten die Wiederwahl gelingen? Oder schaffen es Donald Trump und die Republikaner, den mächtigsten politischen Posten der Welt erneut zu besetzen? Umfragen bescheinigen aktuell einen knappen Vorsprung Trumps, gelten aber als unsicher und können sich in den kommenden Monaten noch komplett ändern.

 

Um einen Eindruck zu gewinnen, welche Chancen Biden hat, im Amt zu bleiben, kann ein Blick in die Geschichte helfen. Der Zustand der US-Wirtschaft im Vorfeld der Wahlen hat nämlich einen großen Einfluss darauf, ob es einem Präsidenten nach der ersten Periode gelingt, wiedergewählt zu werden. Die Investmentbank Goldman Sachs hat dabei den Zustand verschiedener Wirtschaftsindikatoren in der Vergangenheit analysiert und ermittelt, in welchem Zustand einem Präsidenten im jeweiligen Jahr die Wiederwahl gelang. Vier dieser Indikatoren wollen wir uns nun im Detail anschauen.

Vorsicht bei der Interpretation

Die US-Wirtschaft hat sich bis zuletzt widerstandsfähig gezeigt und eine Rezession konnte vermieden werden. Nach der Coronavirus- Pandemie war die Erholung beispiellos und das Verbrauchervertrauen bzw. die Stimmung unter den Konsument*innen hat sich, vor allem in den vergangenen Monaten, rasant verbessert – Bidens Zustimmungswerte allerdings nicht. Es reicht also offensichtlich nicht aus, sich den generellen Zustand der Wirtschaft anzuschauen, sondern man muss mehr ins Detail gehen. Allerdings darf man auch nicht zu viel in diese Analyse hineininterpretieren, da die vergangenen Jahre einzigartig in der Geschichte und daher nur bedingt vergleichbar sind. Noch nie wurde infolge einer Pandemie die Wirtschaft wissentlich und mit voller Absicht praktisch komplett zugedreht, was wirtschaftliche Auswirkungen in nie da gewesenem Ausmaß zur Folge hatte: einen massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit und eine Kombination aus Hilfszahlungen und hohen Ersparnissen, aufgestauter Nachfrage und unterbrochenen Lieferketten, die die Inflation rasend schnell nach oben getrieben hat. Trotzdem kann die Analyse ein etwas klareres Bild für Bidens Gewinnchancen zeichnen.

1. Privater Konsum

Der private Konsum, bzw. wie stark dieser ggü. dem Vorjahr gewachsen ist, gilt als der zuverlässigste Indikator. Während der Pandemie wurden durch Hilfszahlungen speziell in den USA hohe Ersparnisse angehäuft. Zusätzlich dazu ermöglichte der starke Arbeitsmarkt ein hohes Lohnwachstum, weshalb das Konsumwachstum im vergangenen Jahr sehr stark war. Und das, obwohl viele für 2023 einen Rückgang der Konsumausgaben, gefolgt von einer Rezession, vorausgesagt hatten. Dieser Rückgang wird nun für 2024 prognostiziert, was Bidens Chancen für eine Wiederwahl schmälern würde. Weitere Lohnanstiege könnten den Konsum allerdings auch 2024 noch hoch halten, weshalb nicht auszuschließen ist, dass die Vorhersagen auch diesmal falsch liegen, der Konsum also weiter ansteigt und damit die Wiederwahl Bidens wahrscheinlicher macht.

 

Durchschnittliches Konsumausgabenwachstum der vergangenen zwei Jahre vor der Wahl

Durchschnittliches Konsumausgabenwachstum der vergangenen zwei Jahre vor der Wahl

Quellen: Bloomberg, BTV, Goldman Sachs; Stand 29.02.2024.

2. Arbeitsmarkt

Als zweiter wichtiger Indikator gilt der Zustand des Arbeitsmarktes. Biden kann sich 15 Millionen neu geschaffene Stellen während seiner bisherigen Amtszeit auf die Fahnen heften, während die Arbeitslosigkeit bisher unter 4 % geblieben ist. Für 2024 wird allerdings ein Anstieg der Arbeitslosigkeit prognostiziert, wenn sich der Arbeitsmarkt durch das hohe Zinsniveau etwas abkühlt. Laut der Analyse von Goldman Sachs ist der kritische Zeitraum das Jahr vor der Wahl, was Bidens Erfolgszahl der neu geschaffenen Stellen etwas schmälern wird. Zwar wird das Stellenangebot auch im vierten Jahr seiner Amtszeit zunehmen, aber mit deutlich geringerem Tempo, da während der ersten drei Jahre die Nachholeffekte nach der Pandemie durchgeschlagen haben. Die Prognosen für 2023 lagen auch hier daneben. Durch den hohen Zins erwartete man ein deutliches Abkühlen der Wirtschaft bis hin zur Rezession, was den Arbeitsmarkt bereits im vergangenen Jahr belastet hätte. Wenn sich diese Prognosen also nur noch ein paar Monate länger irren, kann sich das günstig auf Bidens Wiederwahl auswirken. Die Fed wird zwar 2024 mit ihrem Zinssenkungszyklus beginnen, der positive Effekt wird aber erst zeitverzögert und vermutlich nach der Wahl eintreten.

 

Jährliches Stellenwachstum im Quartal vor der Wahl

Jährliches Stellenwachstum im Quartal vor der Wahl

Quellen: Bloomberg, BTV, Goldman Sachs; Stand 29.02.2024.

3. Inflation

Die hohe Inflation wird am schwersten auf Bidens Chancen drücken. Laut Umfragen hat dieses Thema die Wähler*innen in den letzten zwei Jahren am meisten belastet, auch wenn sich die Teuerungsrate inzwischen deutlich von ihrem Hoch entfernt hat und nur noch knapp über dem 2 %-Ziel liegt. Dennoch kostet ein Warenkorb den US-Durchschnittshaushalt heute knapp 20 % mehr als noch im Jahr 2019. Das spüren die US-Konsument*innen deutlich – weshalb sie ihrem Frust darüber in der Wahlkabine Ausdruck verleihen könnten.

 

Durchschnittliche Inflationsrate der vergangenen zwei Jahre vor der Wahl

Durchschnittliche Inflationsrate der vergangenen zwei Jahre vor der US-Wahl

Quellen: Bloomberg, BTV, Goldman Sachs; Stand 29.02.2024.

4. Wirtschaftswachstum

Zwar war das Wirtschaftswachstum während Bidens Amtszeit deutlich höher als beispielsweise bei Obamas Wiederwahl im Jahr 2012, allerdings wird durch das hohe Zinsniveau kein deutliches Anziehen des Wachstums in 2024 erwartet. Ob das Wachstum hoch genug bleibt, um eine Wiederwahl Bidens zu unterstützen, bleibt abzuwarten. Immerhin kann er versuchen, die Bevölkerung davon zu überzeugen, dass er es geschafft hat, eine Rezession – trotz aller Prognosen – bisher zu vermeiden.

 

Reales BIP-Wachstum ggü. Vorjahr im Quartal vor der Wahl

Reales BIP-Wachstum ggü. Vorjahr im Quartal vor der US-Wahl

Quellen: Bloomberg, BTV, Goldman Sachs; Stand 29.02.2024.

 

Eine eindeutige Vorhersage ist also auch bei der Analyse der obigen vier Indikatoren nicht möglich und es gilt, den 5. November abzuwarten. Klar ist jedoch, dass die Monate vor der US-Präsidentschaftswahl spannend werden und für Unruhe und Turbulenzen an den Märkten sorgen können, wobei diese politisch motivierten Ausschläge meist nur von kurzer Dauer sind.

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