"Higher-for-longer": Was das für die Finanzmärkte bedeutet

Holprige Sommermonate an den Finanzmärkten liegen hinter uns. Kurskorrektur am Aktienmarkt, ebenso leichte Verluste am Anleihemarkt und ein tieferer Goldpreis machen deutlich, dass dies kein einfacher Sommer war. Für diese Entwicklung gibt es einen Hauptgrund: die Erwartung höherer Zinsen, und zwar über einen längeren Zeitraum hinweg.

 

Inflationsseitig sind wir auf alle Fälle auf einem guten Weg, auch wenn der starke Arbeitsmarkt einen schnellen Rückgang verhindert. Lesen Sie im aktuellen BTV ANLAGEKOMPASS unter anderem, was dies für die Aktien- und Anleihemärkte bedeutet und warum der BTV Aktienausblick nach wie vor leicht positiv bleibt.

Ein blaues Heft mit der Aufschrift Weitsicht spiegelt sich im Fenster, dahinter liegen weitere Exemplare vom Heft

Konjunktur: Ist das Inflationsproblem gelöst?

Nach etlichen Zinsanhebungen durch die Notenbanken scheint sich die Inflation auf dem richtigen Weg zu befinden – und zwar nach unten. Vor allem der Dienstleistungssektor verhindert nun aber einen weiteren Rückgang in ähnlicher Geschwindigkeit. Wie so oft gilt auch hier: Gut Ding braucht Weile.

  • Inflationsdruck hat sich verändert

    Die Inflation in der Eurozone und in den USA ist von ihren Höchstständen massiv zurückgekommen und befindet sich, wie in der Grafik ersichtlich, aktuell nur noch bei 4,3 % bzw. 3,7 %. Aber auch wenn die Notenbanken mit ihrer restriktiven Geldpolitik einen schnellen Rückgang bewirken konnten, liegt die aktuelle Teuerungsrate immer noch deutlich über dem Zielniveau von 2 %. Während der Inflationsanstieg zu Beginn des vergangenen Jahres vor allem von den hohen Energiepreisen getrieben war, ist es nun der Dienstleistungssektor, der einen schnellen Rückgang der Inflation verhindert. Dies gehört zu den klassischen Zweitrundeneffekten nach starken Preisanstiegen im Rohstoffsegment. Denn der Dienstleistungssektor hat einen viel höheren Einsatz des Faktors Arbeit im Vergleich zum Faktor Kapital, wodurch sich die stark gestiegenen Löhne in den Preisen für Dienstleistungen stärker niederschlagen als in jenen für Industriegüter. Letztendlich ist es daher der Arbeitsmarkt, der für die Inflationsprognosen genauer unter die Lupe genommen werden muss. Wie sich Arbeitslosigkeit und Lohnstruktur verhalten, wird somit Antworten auf die weitere Inflationsentwicklung geben können.

     

    Deutlicher Rückgang der Inflationsraten

    Deutlicher Rückgang der Inflationsraten in den USA und der Eurozone

    Quelle: Bloomberg; Stand 13.10.2023.

  • Nur langsamer Inflationsrückgang erwartet

    Der Arbeitsmarkt in der Eurozone, aber auch in den USA gilt als stark ausgelastet und es herrscht weiterhin Fachkräftemangel. Auch wenn sich durch den Nachfragerückgang tendenziell eine leichte Entspannung am Arbeitsmarkt abzeichnet, herrscht in der Eurozone wie auch in den USA Vollbeschäftigung. Wie in der Grafik ersichtlich, liegen die Arbeitslosenraten trotz Konjunkturabkühlung noch auf Rekordtiefs. In vergangenen Wirtschaftszyklen hat eine schwächere Wachstumsdynamik deutlichere Spuren am Arbeitsmarkt hinterlassen, doch 2023 scheint alles anders zu sein. Es sind unterschiedliche Aspekte, die hier entgegenwirken. Weniger geleistete Arbeitsstunden pro Arbeitskraft drücken auf das Arbeitskräfteangebot, weil sich die Präferenzen in der Gesellschaft seit Ausbruch der Pandemie verändert haben. In den USA kommt zusätzlich noch eine geringere Partizipationsrate hinzu. Seit Ausbruch der Pandemie haben sich vor allem ältere Arbeitskräfte kurz vor dem Ruhestand sowie Frauen wegen Betreuungsaufgaben vom Arbeitsmarkt zurückgezogen. Auch demografische Veränderungen, wie ein geringeres Bevölkerungswachstum, halten die Arbeitskräfte knapp. Ein Faktor, der die Eurozone stärker betrifft als die USA. Aber auch auf der Arbeitgeberseite hat die Pandemie zu Veränderungen geführt. Unternehmer*innen scheuen sich davor, Arbeitskräfte aufgrund von möglicherweise nur temporär geringerer Nachfrage zu entlassen. Der Fachkräftemangel ist noch allgegenwärtig und die geringe Verfügbarkeit von Arbeitskräften direkt nach der Pandemie steckt den Unternehmer*innen noch in den Knochen. Aufgrund der hohen Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer*innen werden damit in den anstehenden Verhandlungen auch erneut Lohnsteigerungen durchgesetzt werden können. An sich ist dies als positiv zu werten, da die Kaufkraft der Konsument*innen trotz hoher Inflation erhalten bleibt, was die Konjunktur stützt. Einem schnellen Inflationsrückgang wirkt diese Entwicklung allerdings entgegen. In der BTV gehen wir daher davon aus, dass die Inflation in der Eurozone und den USA zwar aufgrund eines abnehmenden Wirtschaftswachstums zurückgeht, dies aber wegen eines sehr starken Arbeitsmarktes nur sehr langsam geschieht.

     

    Arbeitslosenquote auf Rekordtief

    Arbeitslosenquote in den USA und der Eurozone auf Rekordtief

    Quelle: Bloomberg; Stand 13.10.2023. 

     * Der starke Anstieg der US-Arbeitslosenquote in 2020 ist auf die Coronavirus-Pandemie zurückzuführen. In den USA gab es weder Kündigungsschutz noch Kurzarbeit, weshalb der Anstieg der Arbeitslosigkeit dort viel stärker ausfiel als in der Eurozone.

Aktien: Jahresendrallye nach sommerlichem Schluckauf?

An den globalen Aktienmärkten ließ sich 2023 aufgrund von besseren Konjunkturaussichten und Energieverfügbarkeit ein starker Jahresstart beobachten. Die Sommermonate haben die bisherige Jahresperformance aber stark reduziert. Folgt darauf nun eine Jahresendrallye?

  • Preissetzungsmacht hat Unternehmen stark unterstützt

    Die steigenden Zinsen haben im August, aber vor allem im September auch an den globalen Aktienmärkten ihre Spuren hinterlassen. Höhere Volatilität sowie deutliche Kursverluste waren die Folge, weshalb sich die positive Jahresperformance der globalen Börsen stark reduziert hat. In Europa (STOXX 600) ist es der starke Januar, der noch für eine positive Jahresperformance sorgt, und in den USA (S&P 500) die starke Performance des Tech-Sektors. Betrachtet man den gleichgewichteten S&P 500, also jenen US-Index, in dem alle 500 Titel nicht nach Marktkapitalisierung, sondern mit exakt derselben Gewichtung enthalten sind, ist die Performance 2023 sogar bereits leicht negativ (siehe Grafik). Trotz des jüngsten Kursrutsches muss man jedoch sagen, dass sich der Aktienmarkt für das schwierige Umfeld in diesem Jahr sehr gut gehalten hat. Denn Unternehmen haben es geschafft, die höheren Inputkosten an die Konsument*innen weiterzugeben. Die Margen von europäischen und von US-Unternehmen sind zwar von ihren Höchstständen zurückgekommen, halten sich aber nach wie vor über bzw. auf Vor-Corona-Niveau (siehe Grafik auf der nächsten Seite). Möglich ist das Weiterreichen der höheren Preise an die Konsument*innen tatsächlich nur aufgrund des stark ausgelasteten Arbeitsmarktes und der Lohnanstiege, wodurch die Kaufkraft der Verbraucher*innen großteils erhalten blieb.

     

    Gleichgewichteter S&P 500 Index mit deutlich schwächerer Performance

    Gleichgewichteter S&P 500 Index mit deutlich schwächerer Performance

    Quelle: Bloomberg; Stand 13.10.2023.

    Wertentwicklungen der Vergangenheit bieten keine Gewähr für künftige Ereignisse oder Wertentwicklungen. Wenn Finanzinstrumente in fremder Währung notieren, kann infolge von Währungsschwankungen die Rendite steigen oder fallen.

  • Stagnierende Unternehmensgewinne 2023 – besserer Ausblick für 2024

    Das Wirtschaftswachstum dürfte in den kommenden Monaten weiter abnehmen und auch das höhere Zinsniveau kommt immer stärker in der Realwirtschaft an. Es stellt sich nun die Frage, ob dies den Unternehmen künftig doch noch zusetzen wird.

     

    Für das Gesamtjahr 2023 werden von Analyst*innen aktuell stagnierende Unternehmensgewinne im Vergleich zum Vorjahr erwartet. Diese Prognose schließt allerdings nicht aus, dass sich die Unternehmensgewinne vor allem in Europa, aber auch in den USA im 2. Halbjahr erneut etwas schwächer zeigen werden als im 1. Halbjahr. Unternehmen planen weniger Preisanstiege und können damit gestiegene Inputkosten nicht mehr so stark auf Konsument*innen abwälzen wie zu Beginn des Jahres, was schließlich auch abnehmende Unternehmensmargen bedeutet.Die wichtigsten Gründe hierfür sind abnehmende Ersparnisse, höhere Sparquoten, aber auch eine höhere finanzielle Belastung durch das gestiegene Zinsniveau. Leicht steigende Realeinkommen aufgrund einer tieferen Inflation sowie leichte fiskalische Stützungsmaßnahmen (betrifft vor allem die USA) bieten aber auch im 2. Halbjahr noch Unterstützung für die Unternehmensergebnisse.

     

    Für das Jahr 2024 gehen Analyst*innen bereits wieder von steigenden Unternehmensgewinnen in Europa und den USA aus. Positive Analystenrevisionen waren in der Vergangenheit ein positives Signal für den Aktienmarkt, da Änderungen in den Erwartungen sofort eingepreist werden. Im historischen Durchschnitt hat sich daher gezeigt, dass der Aktienmarkt bereits sechs Monate vor Erreichen des Gewinntiefpunktes wieder angestiegen ist. Der BTV Aktienausblick bis Jahresende ist damit leicht positiv.

  • Unterstützt die Saisonalität die Jahresendperformance?

    Während die Sommermonate als liquiditätsarme Monate an den Märkten gelten und auch der September sich klassisch unter die schwächeren Monate des Jahres reiht, stehen den globalen Aktienmärkten mit dem Jahresende saisonal starke Monate bevor. Die aktuell leicht negative Stimmung sowie erhöhte Volatilität führen allerdings zu stärkerer Handelsaktivität bei Derivaten und trendbasierten Modellen, was die Volatilität noch eine Zeit lang hoch halten kann. Kurzfristig dürfte es an den Märkten daher holprig bleiben, bevor die Börsen zu Jahresende noch einmal eine bessere Performance liefern sollten.

     

    Margen dürften weiter zurückgehen, sind aber nach wie vor hoch

    Margen dürften weiter zurückgehen, sind aber nach wie vor hoch

    Quelle: Bloomberg; Stand 13.10.2023.

    Wertentwicklungen der Vergangenheit bieten keine Gewähr für künftige Ereignisse oder Wertentwicklungen. Wenn Finanzinstrumente in fremder Währung notieren, kann infolge von Währungsschwankungen die Rendite steigen oder fallen.

Anleihen: Laut IWF Geldpolitik essenziell für Inflationsrückgang

Die großen Notenbanken konnten mit ihrer restriktiven Geldpolitik bisher gute Erfolge erzielen. Um die Inflation weiter einzudämmen, wird ein klarer geldpolitischer Fahrplan benötigt, der zu schnelle Lockerungsmaßnahmen ausschließt, analysiert der Internationale Währungsfonds.

  • Zu schnelles Lockern ist keine Option

    Während Kreditnehmer*innen auf eine baldige geldpolitische Lockerung durch die Notenbanken und damit auf tiefere Zinsen hoffen, freuen sich Anleiheinvestor*innen über höhere Renditen. Betrachtet man die aktuell im Markt eingepreisten Erwartungen, so wird ab Mitte nächsten Jahres mit ersten Leitzinssenkungen gerechnet (siehe Grafik). Diese Erwartungen haben sich in den letzten Wochen aber schrittweise nach hinten verschoben. Licht ins Dunkle bringt der IWF mit seiner jüngsten Studie, in dessen Berechnungen 100 Inflationsschocks seit 1970 in 56 Ländern einfließen. Nur in 60 % der Fälle konnte die Inflation innerhalb von 5 Jahren zurückgedrängt werden, wobei die durchschnittliche Dauer für die Inflationsbekämpfung über 3 Jahre betrug. Ein Zeitfenster von gut 3 Jahren klingt ermutigend, denn damit wäre die Inflationseindämmung 2024/2025 abgeschlossen, sofern der aktuelle Inflationsschock zu den 60 % der erfolgreichen Fälle zählt. Laut IWF ist es essenziell, dass die Geldpolitik über einen längeren Zeitraum restriktiv bleibt und eine Lockerung nicht vorschnell erfolgt. Außerdem ist die Konsistenz von Geld- und Fiskalpolitik ausschlaggebend, um zu verhindern, dass fiskalpolitische Unterstützungsmaßnahmen die Effektivität der restriktiven Geldpolitik konterkarieren. In der BTV gehen wir daher von keinen vorschnellen Zinssenkungen durch die Notenbanken aus und erwarten frühestens Ende 2024 nur kleine, vorsichtige Zinsschritte.

     

    Erste Zinssenkungen werden für Mitte 2024 erwartet

    Erste Zinssenkungen werden für Mitte 2024 erwartet

    Quelle: Bloomberg; Stand 13.10.2023.

  • Höhere Renditen im Anleihesegment

    Die restriktive Geldpolitik der großen Notenbanken und ein damit schnell steigendes Zinsniveau hat im vergangenen Jahr zu starken Kursverlusten auf der Anleiheseite geführt. Eine schmerzliche Entwicklung, da Anleihen als eine Anlageklasse mit konstanten Erträgen verstanden werden und sich Zinsrisiken über die letzten Jahrzehnte stark in Grenzen hielten (siehe Grafik). Da der Zinsanhebungszyklus sowohl in den USA als auch in der Eurozone nun jedoch zumindest fast abgeschlossen ist, hat sich auch das Zinsrisiko wieder deutlich verringert. Positiv ist nun für Anleiheinvestor* innen, dass die Anlageklasse Anleihen nach einer Vielzahl von Zinsanstiegen wieder mehr Potenzial in Form von höheren Renditen verspricht. Eine etwas höhere Duration, das bedeutet eine etwas längere Laufzeit, kann im aktuellen Umfeld genutzt werden, um sich das höhere Zinsniveau über die kommenden Jahre zu sichern. Außerdem steigt durch die höhere Duration auch die Absicherungsfunktion, da längerlaufende Anleihen in turbulenten Marktphasen stärker profitieren als kurzlaufende Anleihen. Hier ist allerdings Vorsicht geboten: Nur als sicher geltende Staatsanleihen und Unternehmensanleihen sehr guter Bonität entfalten im schwierigen Marktumfeld die Absicherungsfunktion. In riskanteren Segmenten wie Unternehmens- oder Hochzinsanleihen können Konjunkturrisiken zu einem weiteren Anstieg der Risikoaufschläge führen und damit die Refinanzierungskosten erhöhen. In der BTV setzen wir demnach auf Staats- und Unternehmensanleihen sehr guter Bonität mit einer leicht höheren Duration, um sich das gestiegene Zinsniveau längerfristig zu sichern.

     

    Nach Jahrzehnten positiver Performance am globalen Anleihemarkt folgte ein deutlicher Performanceeinbruch 2022

    Performanceeinbruch bei Anleihen 2022

    Quelle: Bloomberg; Stand 13.10.2023.

    Wertentwicklungen der Vergangenheit bieten keine Gewähr für künftige Ereignisse oder Wertentwicklungen. Wenn Finanzinstrumente in fremder Währung notieren, kann infolge von Währungsschwankungen die Rendite steigen oder fallen. Beachten Sie, dass Investments mit Risiken verbunden sind.

     

    * Total Return setzt sich zusammen aus Kuponzahlungen sowie Kursgewinnen, verwendet
    wurde der Bloomberg Global Aggregate Index.

  • Die in diesem Beitrag verwendeten Fach- und Finanzbegriffe werden unter btv.at/glossar ausführlich erklärt.

    Die Beiträge in dieser Publikation dienen lediglich der Information. Die BTV prüft ihr Informationsangebot sorgfältig. Dennoch bitten wir um Verständnis, dass wir diese Informationen ohne Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität zur Verfügung stellen. Verleger und Verfasser behalten sich einen Irrtum, insbesondere in Bezug auf Kurse und andere Zahlenangaben, ausdrücklich vor. Durch neue Entwicklungen oder kurzfristige Änderungen können diese Informationen daher bereits überholt sein. Bei Prognosen und Schätzungen über die zukünftige Entwicklung handelt es sich lediglich um unverbindliche Werte. Von diesen kann nicht auf die tatsächliche künftige Wertentwicklung geschlossen werden, weil zukünftige Entwicklungen des Kapitalmarktes nicht im Voraus zu bestimmen sind. Bei diesen Informationen handelt es sich um keine individuelle Anlageempfehlung, kein Angebot zur Zeichnung bzw. zum Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten. Bitte beachte Sie, dass ein Investment mit Risiken verbunden ist. Stand: Oktober 2023

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