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Nachhaltige Finanzprodukte: Anspruch, Wirklichkeit und Grauzonen

Veröffentlicht am 18.09.25
Nachhaltigkeit als Entwicklungsweg und ständiger Prüfstein im Finanzmarkt. Doch was bedeutet das konkret für Finanzprodukte – wie lässt sich Nachhaltigkeit bei Finanzprodukten nachvollziehbar bewerten?
Mag. Benjamin Telser
Mag. Benjamin TelserLiquiditätsmanagement

Was macht ein Finanzprodukt wirklich „grün“?

Nachhaltige Finanzlösungen sollen dazu beitragen, die Ökonomie klimafreundlicher zu gestalten. Aber wann ist ein Finanzprodukt tatsächlich klimafreundlich? Im Zentrum stehen Anlageformen wie Green Bonds, ESG-Fonds oder Impact Investing. Diese finanzieren nachhaltige Initiativen oder legen Wert auf Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Doch kann jede Kapitalanlage, die mit grünen Etiketten wirbt, automatisch als klimafreundlich gelten?

Hier beginnt die Grauzone: Kennzeichnungen geben Orientierung, erfordern aber, dass Anleger*innen sich mit den zugrunde liegenden Kriterien und Interpretationen vertraut machen. Viele Anbieter nutzen Kriterien wie Ausschlussprinzipien oder Positivlisten. Dabei wird zum Beispiel festgelegt, dass Firmen, die fossile Brennstoffe fördern, nicht Teil eines nachhaltigen Finanzprodukts sein dürfen. Und dann gibt es die Übergangsfälle – Unternehmen, die sich in einem Transformationsprozess befinden und trotz aktuell hohem CO₂-Ausstoß gezielt in sauberere Lösungen investieren. Die Einordnung solcher Firmen in nachhaltige Anlageprodukte hängt davon ab, als wie glaubwürdig und ambitioniert ihre Transformationspläne bewertet werden und welche Standards bei der Auswahl zur Anwendung kommen. Damit wird klar: „Grün“ ist kein Schwarz-Weiß-Begriff, sondern ein Spektrum – und genau das macht die Bewertung anspruchsvoll und verleiht der Prüfung besondere Relevanz.

Wie wird Umweltverträglichkeit geprüft – und reicht das?

Die Kontrolle nachhaltiger Finanzlösungen erfolgt meist über definierte Nachhaltigkeitskriterien. Diese beziehen sich auf ökologische wie soziale Aspekte, Mittelverwendung und Berichterstattung. Aber wie aussagekräftig sind diese Prüfungen wirklich? Oft bleiben Details im Dunkeln, gerade wenn unabhängige Prüfungen auf Selbstauskünften von Firmen beruhen. Und selbst wenn ein Produkt etwa durch das Umweltzeichen zertifiziert ist, bedeutet das nicht, dass es vollständig emissionsfrei ist – vielmehr zeigt dies, dass bestimmte Mindeststandards im Hinblick auf Umweltverträglichkeit und soziale Kriterien eingehalten werden.

Was man aber sieht, ist die Bereitschaft großer Unternehmen, freiwillig Nachhaltigkeitsberichte zu veröffentlichen. Diese hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich erhöht. Während 1993 weltweit nur 588 der größten Unternehmen entsprechende Berichte vorlegten, waren es 2024 bereits 4.582. Diese Entwicklung zeigt, dass Transparenz und freiwillige Offenlegung zunehmend als Wettbewerbsvorteil und als Zeichen verantwortungsvoller Unternehmensführung verstanden werden (siehe Grafik).

Die Werte wurden eigenständig berechnet. Quelle: Daten von KPMG (2024): The Move to Mandatory Reporting – Survey of Sustainability Reporting 2024. Online verfügbar unter: https://kpmg.com/xx/en/our-insights/esg/the-move-to-mandatory-reporting.html

Die Entwicklung bietet eine bessere Grundlage für Investoren*innen, um nachhaltige Finanzprodukte kritisch zu prüfen und fundierte Entscheidungen zu treffen. Für Anleger*innen bedeutet dies in der Praxis, dass vier Punkte bei der Bewertung nachhaltiger Finanzprodukte entscheidend sind:

  • Transparenz: Offenlegung der Auswahlkriterien und Impact-Daten.
  • Messbare Ziele: Klare KPIs wie Emissionsreduktion, Energieeffizienz und soziale Wirkung.
  • Unabhängige Kontrolle: Externe Prüfer müssen das Projekt bewerten.
  • Orientierung an Standards: EU-Taxonomie und Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) als verbindliche Orientierungshilfen.

Wie sieht das in der Praxis aus?

Ein Beispiel sind Green Bonds wie der BTV fair future Bond, die ausschließlich in nachhaltige Projekte investieren. Aber auch hier stellt sich die Frage: Wie wird gemessen, was tatsächlich klimafreundlich ist? Können Übergangslösungen, die heute noch einen CO₂-Ausstoß verursachen, Teil eines nachhaltigen Portfolios sein? Genau diese Fragen tauchen in Prüfungsprozessen immer wieder auf – und sie verdeutlichen, warum Methodik, Transparenz und die laufende Anpassung von KPI-Bemessungsgrundlagen und neue Standards unverzichtbar sind.

Damit diese Standards nicht nur auf dem Papier stehen, braucht es unabhängige Kontrolle. Im Fall der BTV übernehmen das das Österreichische Umweltzeichen und ISS-Corporate: Sie prüfen nicht nur die nachhaltigen Projekte selbst, sondern auch die Auswahlkriterien und den gesamten Auswahlprozess, die für eine positive Bewertung herangezogen werden.
Doch trotz aller Prüfprozesse bleibt eine Frage: Wie kann Vielfalt im Markt als Chance genutzt werden, ohne die Vergleichbarkeit zu verlieren?

Nachhaltigkeit – ein Prozess, bei dem der Weg das Ziel ist

Umweltverträglichkeit ist kein Zustand, sondern eine dynamische Entwicklung. Aber wie lässt sich dieser Wandel messen und bewerten? Firmen, die heute noch auf fossile Energien angewiesen sind, können sich dennoch auf einem klimafreundlichen Weg befinden, wenn sie glaubwürdig und transparent an ihrer Transformation arbeiten. Entscheidend ist dabei, ob die Geschwindigkeit und die Tiefe dieser Veränderung tatsächlich ausreichen. Studien zeigen zwar, dass eine zögerliche Umstellung auf klimafreundliche Lösungen den Wandel erschwert – aber wie schnell ist schnell genug? Dies muss immer wieder aufs Neue bewertet werden.

Die weltweit stark steigenden Investitionen in die Energiewende zeigen, dass nachhaltige Finanzprodukte nicht nur ein Trend sind, sondern als zentrale Treiber für den globalen Wandel angesehen werden. Die weltweiten Investitionen in die Energiewende sind von 929 Mrd. USD (2020) auf 2.083 Mrd. USD (2024) gestiegen – das entspricht einer Steigerung um 124,24 %. Sie spiegeln das wachsende Engagement von Unternehmen und Investoren wider, aktiv zur Transformation der Energieversorgung beizutragen (siehe Grafik).

Quelle: BloombergNEF (2025): Energy Transition Investment Trends – Abridged Edition. Online verfügbar unter: https://assets.bbhub.io/professional/sites/24/951623_BNEF-Energy-Transition-Trends-2025-Abridged.pdf

Übergangslösungen können als klimafreundlich gelten, etwa wenn sie ein klarer Schritt zu grüner Energie sind. Ein typisches Beispiel für eine solche Übergangslösung ist die Umstellung von Kohlekraftwerken auf moderne Gaskraftwerke. Obwohl Erdgas kritisch zu betrachten ist, ist der Ausstoß im Vergleich zur Kohle deutlich geringer. Wenn Firmen diese Technologie als Zwischenschritt nutzen und gleichzeitig in grüne Energie investieren, kann dies ein glaubwürdiger Baustein einer nachhaltigen Transformationsstrategie sein – vorausgesetzt, Tempo und Zielrichtung stimmen.

Was wurde bereits erreicht – und was bleibt zu tun?

Nachhaltige Geldanlagen können einen Beitrag zu CO₂-Einsparungen, sozialen Verbesserungen und innovativen Lösungen leisten. Investitionen in grüne Energie tragen dazu bei, den Ausstoß von Treibhausgasen zu senken und die Abhängigkeit von fossilen Ressourcen zu verringern. Darüber hinaus unterstützen nachhaltige Finanzlösungen Projekte im Bereich Bildung und Gesundheitsversorgung, schaffen Arbeitsplätze mit fairen Bedingungen und fördern die Lebensqualität in benachteiligten Regionen. Auch der Schutz der Artenvielfalt kann durch gezielte Investitionen, etwa in Aufforstungsprogramme oder ökologische Landwirtschaft, gestärkt werden. Dennoch bleibt der tatsächliche gesamtgesellschaftliche Effekt bislang begrenzt, da das bisherige Investitionsvolumen und die Umsetzungstiefe noch nicht ausreichen, um die globalen Nachhaltigkeitsziele umfassend zu erreichen.

Die Europäische Kommission hat umfassende Schätzungen zu den zukünftigen Investitionsbedarfen vorgelegt. Laut ihrer Analyse werden bis 2030 jährlich 477 Milliarden Euro zusätzlich benötigt, um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen – das entspricht etwa 2,7 % des EU-BIP von 2023. Historisch lag die jährliche grüne Investition bereits bei 764 Milliarden Euro, was die bisherige Dynamik unterstreicht und den erheblichen zusätzlichen Bedarf verdeutlicht.

Aufgeschlüsselt nach Sektoren zeigt sich, dass der Transportsektor den größten Anteil ausmacht:

  • Energieversorgung: +93 Mrd. EUR jährlich
  • Energienachfrage: +178 Mrd. EUR jährlich
  • Transportsektor: +205 Mrd. EUR jährlich

Diese Zahlen zeigen: Die EU hat bereits substanzielle Fortschritte gemacht, doch die Herausforderungen bleiben enorm. Die Realität nachhaltiger Geldanlagen ist komplex – insbesondere bedingt durch fehlende Standards und uneinheitliche Definitionen. Greenwashing bleibt ein Risiko, dem nur mit kritischer Prüfung und Nachvollziehbarkeit begegnet werden kann.
Was bleibt zu tun? Im Bereich von nachhaltigen Finanzprodukten ist gefordert, transparente und verbindliche Standards zu schaffen, die Nachhaltigkeit als verlässliche Investitionsgrundlage etablieren. Nur durch glaubwürdige Zertifikate, klare Definitionen und eine koordinierte Umsetzung kann die Wirkung nachhaltiger Geldanlagen weiter ausgebaut werden.

Fazit: Nachhaltigkeit beginnt beim Einzelnen und endet mit allen

Nachhaltige Finanzlösungen sind ein wirksamer Hebel für den Wandel, aber kein Selbstläufer. Sie verlangen klare Standards, kritische Beurteilung und kontinuierliche Weiterentwicklung. Als Bank mit Geist und Haltung setzt die BTV auf fundierte Prozesse und offene Kommunikation, um Nachvollziehbarkeit und Vertrauenswürdigkeit zu gewährleisten. Jede diesbezügliche Investitionsentscheidung ist ein Beitrag zur klimafreundlichen Zukunft, und die Verantwortung dafür liegt bei jeder einzelnen Person.

Nachhaltigkeit lebt vom Fortschritt, von Vielfalt und kritischer Auseinandersetzung. Jede nachhaltige Kapitalanlage setzt somit einen Impuls in die richtige Richtung – und erst die Menge an Impulsen bestimmt, wie „grün“ Sie tatsächlich veranlagt sind.

  • Die BTV prüft ihr Informationsangebot sorgfältig. Dennoch bitten wir um Verständnis, dass wir diese Informationen ohne Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität zur Verfügung stellen. Bitte beachten Sie, dass Einschätzungen und Bewertungen die Meinung des jeweiligen Verfassers zum Zeitpunkt der Erstellung bzw. Ausarbeitung reflektieren und für die Richtigkeit und den Eintritt eines bestimmten Erfolges keine Gewähr übernommen wird. Durch neue Entwicklungen oder kurzfristige Änderungen können die Informationen bereits überholt sein. Der Verfasser behält sich einen Irrtum, insbesondere in Bezug auf Zahlenangaben, ausdrücklich vor. Bei diesen Informationen handelt es sich um keine individuelle Anlageempfehlung, kein Angebot zur Zeichnung bzw. zum Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten. Wertentwicklungen der Vergangenheit bieten keine Gewähr für künftige Ereignisse oder Wertentwicklungen. Bei Prognosen und Schätzungen über die zukünftige Entwicklung handelt es sich lediglich um unverbindliche Werte. Von diesen kann nicht auf die tatsächliche künftige Wertentwicklung geschlossen werden, weil zukünftige Entwicklungen des Kapitalmarktes nicht im Voraus zu bestimmen sind. Beachten Sie bitte, dass ein Investment in Finanzinstrumente mit Risiken, wie Kursschwankungen oder Vermögensverlusten, verbunden sein kann.