Navigation ĂŒberspringen
BTV Logo
Mann stellt ein Miniatur-Haus auf den Tisch neben andere Miniatur-HĂ€user

Wie misst man Wohlstand?

Veröffentlicht am 29.09.23
Aktualisiert am 21.07.25
Um die Wohlstandsmessung kreisen viele Fragen: Wie wird das einschlĂ€gige Wohlstandsmaß BIP berechnet und was sagt es aus? Wer braucht es wofĂŒr? Gibt es Alternativen zu dieser Kennzahl?
Dr. Hans Eibl
Dr. Hans EiblStrategische Fokusthemen – Wertemanagement

Das Wichtigste in KĂŒrze

  • Das BIP misst den Wert aller produzierten Waren und Dienstleistungen (abzĂŒglich aller Vorleistungen) eines Landes in einem Jahr.
  • Es wird von nationalen Statistikbehörden berechnet.
  • Dazu werden UmsĂ€tze und Vorleistungen von Unternehmen sowie Ausgaben von öffentlichen Institutionen gemeldet.
  • Aus dem nominalen BIP wird die Inflation herausgerechnet, um das reale BIP zu erhalten.
  • Das BIP ist ein wichtiger Indikator fĂŒr die Wirtschaftspolitik und die FinanzmĂ€rkte.
  • Alternativen zum BIP messen den Wohlstand anhand von LebensqualitĂ€t, Umwelt und Nachhaltigkeit.

Definition des Bruttoinlandsprodukts (BIP)

Das BIP misst den Gesamtwert der im Inland innerhalb einer bestimmten Zeitperiode (i. d. R. ein Jahr) produzierten GĂŒter und Dienstleistungen abzĂŒglich aller Vorleistungen. Der Gesamtwert ergibt sich aus der Addition der Wertschöpfung aus Land- und Forstwirtschaft, dem Waren produzierenden Gewerbe, aus Handel und Verkehr sowie, aus privaten und staatlichen Dienstleistungen. Das BIP misst insofern die LeistungsfĂ€higkeit einer Volkswirtschaft innerhalb gegebener Landesgrenzen und kann auch auf Landesteile (z. B. Bruttoregionalprodukt) heruntergebrochen werden.

Wie wird das BIP gemessen?

Mit der Messung sind in der Regel nationale Statistikbehörden in den einzelnen Staaten beauftragt. Da die Vorgangsweise weltweit einheitlich sein soll, sind die Methoden durch die Vereinten Nationen streng definiert. Im Kern melden Unternehmen ihre UmsĂ€tze und Vorleistungen bzw. öffentliche Institutionen ihre Ausgaben regelmĂ€ĂŸig und möglichst zeitnah an die Statistikbehörde, welche die Daten plausibilisiert und aggregiert.

 

Die Inflation wird herausgerechnet

Da reine PreisverĂ€nderungen die BIP-Werte im Zeitablauf verzerren, wird aus dem nominalen BIP die Inflation herausgerechnet und wir gelangen zum realen BIP. Das ist auch wichtig fĂŒr die korrekte Messung des Wirtschaftswachstums, bei der die BIPs fĂŒr aufeinanderfolgende ZeitrĂ€ume verglichen werden.

 

Verteilungs- und Verwendungsrechnung

Parallel zur gerade geschilderten Entstehungsrechnung (in welchen Sektoren werden GĂŒter produziert und Dienstleistungen erbracht) gibt es noch die Verteilungs- und Verwendungsrechnung. Die Verwendungsrechnung ermittelt das BIP als Summe aus privatem und staatlichem Konsum (Konsumausgaben der privaten Haushalte und der privaten Organisationen ohne Erwerbszweck sowie Staatsverbrauch), Investitionen und Außenbeitrag. Bei der Verteilungsrechnung wird das BIP aus der Summe der Arbeitnehmerentgelte, der Unternehmensgewinne und der VermögensertrĂ€ge in der Volkswirtschaft berechnet.

Wer braucht die Kennzahl wofĂŒr?

Die Statistikbehörden veröffentlichen den neuesten BIP-Wert in einem festen Rhythmus. Auf eine zeitnahe vorlĂ€ufige SchnellschĂ€tzung (aufgrund erster wichtiger Daten) folgt verzögert der „amtliche“ BIP-Wert, der auf umfassenden Meldungen aus der Privat- und öffentlichen Wirtschaft beruht.

 

BIP als wichtiger Input fĂŒr die Wirtschaftspolitik

Das BIP ist ein Ă€ußerst wichtiger Input fĂŒr die Wirtschaftspolitik auf nationaler, regionaler und sektoraler Ebene. Soll mit finanzpolitischen Maßnahmen unerwĂŒnschten Entwicklungen (insbesondere einer Rezession) gegengesteuert werden? Wie kann eine Wirtschaft kurz-, aber auch langfristig prosperieren?
Auch wenn die Geldpolitik vieler Zentralbanken vorrangig auf die GeldwertstabilitĂ€t ausgerichtet ist, sind die Auswirkungen geldpolitischer Maßnahmen auf das Wirtschaftswachstum jedenfalls eine wichtige Nebenbedingung.

Auf den FinanzmĂ€rkten beeinflussen die neuesten BIP-Daten die Kurse von Aktien und Obligationen und werden damit von den handelnden Personen genau analysiert und fĂŒr die Zukunft auch prognostiziert. Auch die interessierte Öffentlichkeit interpretiert das BIP als Indikator fĂŒr wirtschaftliche LeistungsfĂ€higkeit und vergleicht Staaten und Regionen, wenn das BIP pro Kopf ausgewiesen wird.

 

Alternativen zur Wohlstandsmessung

Es gibt alternative Maße, um das PhĂ€nomen „Wohlstand“ einzufangen, die andere Indikatoren fĂŒr LebensqualitĂ€t mitberĂŒcksichtigen:

  • Der Human Development Index (HDI) misst anhand vieler Indikatoren drei wichtige Dimensionen fĂŒr die Entwicklung eines Staates: den Lebensstandard, den Bildungsgrad und den Gesundheitszustand der Bevölkerung.
  • Der Happy Planet Index (HPI) ist ein Indikator, der Staaten danach bewertet, wie ökologisch effizient diese Wohlstand fĂŒr ihre Bevölkerung erzeugen.
  • Der Genuine Progress Indicator (GPI) ist ein Wirtschaftsindikator, der die Leistung (den Fortschritt) von Volkswirtschaften umfassender einschĂ€tzen will. Danach gibt es Wachstum nur, wenn dieses nicht durch verdeckte Kosten wie UmweltschĂ€den, KriminalitĂ€t und abnehmende Gesundheit „erkauft“ wird.

Dies ist eine (willkĂŒrliche) Auswahl alternativer Wohlstandsmaße. Insgesamt werden sie das BIP bestenfalls ergĂ€nzen, aber nicht ersetzen. Wie oben beschrieben, spielt das BIP fĂŒr die Wirtschaftspolitik und fĂŒr die FinanzmĂ€rkte eine zentrale Rolle. Und fĂŒr diese Funktion ist keine Alternative in Sicht.